Unser Beitrag für den Newthinking Magsprint

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Zur re:publica 13 bekamen alle BesucherInnen ein Exemplar des Newthinking Magazins in die Hand gedrückt, das Anfang April 2013, also einen Monat vor der re:publica, bei uns im SUPERMARKT im Rahmen eines dreitägigen Magazinsprints entstanden ist. Wir haben auch einen Artikel darin verfasst.

Hier ist der Text im Wortlaut:

Räume für Offene Kultur & Open Source Strategien

Auch wenn viele neue Produktionsmethoden und Kommunikationsstrategien aus der Netzkultur kommen und folglich auch dezentral und nicht-ortsgebunden funktionieren, braucht es eine physische Verortung der Themen und ihrer Akteure. In Berlin entstehen derzeit viele gemeinschaftlich genutzten Räume, in denen Open Source Strategien praktisch erprobt werden: Coworking-Studios, Fablabs, freie Projekträume, Hackerspaces und vieles mehr. Der SUPERMARKT ist einer dieser Orte und funktioniert als Mischung aus Coworking-Space, Community-Café und Eventlocation. Der Schwerpunkt unserer inhaltlichen Arbeit liegt auf Themen der digitalen Kultur. Wir bieten ein regelmäßiges Programm, angefangen von DIY-Masterclasses rund um mediale Produktion bis hin zu Konferenzen und Hackathons. Der SUPERMARKT versteht sich als ein offener Ort. Ganz zu Beginn haben wir uns den Arbeitstitel „Free Culture Department Store“ gegeben, diesen aber bald wieder verworfen, weil kaum jemand verstanden hat was „Free Culture“ eigentlich sein soll und warum um Himmels Willen man einen Ort für sowas braucht. Und die Anspielung in Richtung „Kaufhaus“ erschien uns dann auch vermessen, weil wir keine belastbare Antwort auf die Frage hatten wie man freie Kultur flächendeckend verkauft bekommt.
Seitdem lassen wir das mit den Labels und schauen erst mal wie sich der Raum durch die Nutzung der Community verändert und welche Identität er dadurch bekommt.
Ein offener Raum – das klingt erst einmal einfach. In der täglichen Praxis dann wird deutlich, was sich hinter dem Anspruch verbirgt:

  • Offen, im Sinne von „zugänglich“: Uns war es von Anfang an wichtig, dass der SUPERMARKT an allen Werktagen von 10 bis 18 Uhr geöffnet ist, sozusagen als eine verlässliche Größe für alle, die vorbeikommen wollen. Das bedeutet dann vor allem auch, Leute zu finden, die zu diesen Zeiten auch wirklich da sind und den Ort bespielen – das Caféteam, die KollegInnen aus Technik und Organisation und alle diejenigen, die als Schnittstelle nach draußen auftreten. Allein dies ist ein gewisser Aufwand an Organisation und Ressourcen.
  • Offen, im Sinne von „offen für alle“: In gewisser Weise ist der SUPERMARKT ein öffentlicher Ort. Jede(r) kann hereinkommen, hier arbeiten und am inhaltlichen Angebot teilnehmen. Diese Form der Teilhabe muss jedoch auch moderiert werden, sonst kommt es nicht wirklich zu einem Austausch. Allein die Tatsache, dass verschiedene Menschen in einem Raum versammelt sind, bringt noch keine Kollaboration hervor. Hier geht es vor allem um das Angebot von kommunikativen Formaten, bei denen sich Menschen aus den verschiedensten Interessensgebieten beteiligen können. Im besten Fall entsteht dann das, was man heute oft als „Serendipity“ bezeichnet – ein glücklicher Zufall, der Begegnungen begünstigt, die anderweitig nicht hätten stattfinden können. Aus diesen Begegnungen kann dann alles mögliche entstehen: eine Zusammenarbeit, eine Freundschaft oder auch ein Magazin, wie in diesem konkreten Fall. Das ist ja auch der eigentliche Mehrwert eines gemeinschaftlich genutzten Raumes: das soziale Kapital, die persönlichen Ressourcen und das neue Wissen, das aus den verschiedenen Einflüssen entsteht.
  • Offen, im Sinne von „nicht-hierarchisch“: Hier geht es darum, Vielfalt zuzulassen und das eigene Kontrollbedürfnis geschickt zu umgehen. Der Verzicht auf Hierarchien bedeutet keineswegs den Verzicht auf Moderation und Führung, aber es gibt keine fest zementierten Verhältnisse, die qua Rolle festgelegt werden. Stattdessen orientiert sich der Gruppenstatus von TeilnehmerInnen ausschließlich an ihrer Nützlichkeit für eine bestimmte Aufgabe. Da sich diese ständig verändert, gibt es auch eine starke soziale Dynamik. War man gestern noch Genie, ist man heute möglicherweise nur Randfigur. Das muss man auch erst einmal aushalten können.
  • Offen, im Sinne von „transparent“: Das ist eigentlich die größte Herausforderung – Wissen so aufzubereiten, dass verschiedene Zielgruppen einen Zugang dazu finden können. Sich nicht ausschließlich auf eine bestimmte Szene fokussieren, aber dennoch ein scharfes Profil haben. Themen mit Anspruch zu verhandeln, ohne sich auf bestimmte „Hoheitsgebiete“ zurückzuziehen. Meinungen und Standpunkte klar zu formulieren, aber auch durchlässig sein für Diskussionen und Verhandlungen. Und, ganz wichtig: Das gemeinschaftlich erworbene Wissen auch wiederum allen zur Verfügung stellen, nicht auf eigene Faust damit hausieren gehen und die Community-Effekte unter Ausschluss der Beteiligten kapitalisieren

Es ist ja nicht so, dass wir alle so viel Erfahrungen in der Entwicklung und Erhaltung dieser Arbeitsformen hätten. Wir bewegen uns jeden Tag vorwärts, probieren aus und lernen dazu. Manchmal kriegt das Ganze eine eigene Dynamik und man wird mitgetragen von einem positiven Flow. Plötzlich scheint sich alles wie von selbst zu bewegen. Dann gibt es wiederum Momente, wo es ganz mühsam und zäh wird, wo man sich an Definitionen und Wortklaubereien aufreibt und der Wunsch nach den guten alten Hierarchien hochkommt. So nach dem Motto: Irgendjemand muss doch jetzt bitte wissen, wie es weitergeht. Etwa, wenn ein Workshop ins Leere läuft oder ein Projekt dann doch nicht die Strahlkraft bekommt, die man sich eigentlich erhofft hat.
Fazit: Offene Produktionsräume sind in erster Linie dynamisch (vorausgesetzt, sie funktionieren gut). Das mach sie auch so schwer beschreibbar und quantifizierbar. Die Innovation, die aus diesen Orten hervorgeht, kann nicht unbedingt in konsumgerechten Häppchen von Wirtschaft und Gesellschaft aufgenommen und durch die übliche Verwertungsmaschine gedreht werden.
Im Gegenteil: Wer eine breite Öffentlichkeit für offene, kollaborative Strukturen begeistern will, muss eine gewaltige Übersetzungsleistung vollbringen. Und in den Genuß der Inspiration kommt schließlich nur, wer aktiv mit dabei ist. Diejenigen aber, die sich ohne Angst vor offenen Ergebnissen ins Geschehen stürzen, erhöhen definitiv die Chancen auf den berühmten „glücklichen Zufall“ oder die Begegnung, die alles verändert. „Chance favours the prepared mind“ – wer kollaborative Räume mit gestaltet und offene Strukturen erprobt, gibt dem Zufall einen Schubs.

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